Gute Rahmenbedingungen für Selbsthilfegruppentreffen

Die Dauer eines Treffens sollte zwei Stunden nicht überschreiten, da die Konzentration vor allem in den Abendstunden sonst stark nachlässt. Deshalb ist es wichtig, ein klares Ende der Gruppensitzung zu vereinbaren. Es kann sehr hilfreich sein, zwei Personen mit der Gesprächsmoderation zu beauftragen: eine Moderator*in konzentriert sich auf ein ausgeglichenes Gruppengespräch und dass alle die möchten zu Wort kommen. Die andere Person achtet auf die Einhaltung der Zeit.

Pausen haben sich in vielen Gruppen bewährt: Eine Pause ermöglicht Sicht- und Platzwechsel und lässt unangenehme Störungen oft gar nicht erst aufkommen: gerade Neulinge können hier mit „alten Hasen“ intensive Einzelgespräche führen und werden oft schneller in die Gruppe integriert.

Ein informelles Beisammensein: es hat sich bewährt beim Gruppentreffen noch ein informelles „Nachtreffen“ – ein gemütliches Beisammensein – anzukündigen und abzusprechen. Alle die möchten können so - völlig freiwillig und unverbindlich - persönliche Kontakte zu den anderen Gruppenmitgliedern aufbauen und pflegen. 

Für eine Gesprächsselbsthilfegruppe bietet sich eine Gruppengröße von acht bis zwölf Teilnehmer*innen an, um ein persönliches und intensives Gespräch zu ermöglichen. Bei nach außen orientierten Selbsthilfegruppen oder Selbsthilfeorganisationen gibt es oft wesentlich größere Teilnehmerzahlen: es ist sinnvoll hier immer wieder Raum für Kleingruppenarbeit anzubieten oder durch die Sitzordnung oder eine Zeitaufteilung im Wechsel zum Plenum kleinere Gesprächskreise anzubieten.

Weitere Rahmenbedingungen: Ein fester Zeitpunkt (variiert in der Regel von einmal wöchentlich bis vierteljährlich) und ein neutraler, verkehrsgünstiger und ungestörter Raum für die Gruppentreffen sind wichtige Voraussetzungen für eine Selbsthilfegruppe. Neben Selbsthilfekontaktstellen bieten sich beispielsweise Weiterbildungseinrichtungen, Beratungseinrichtungen, Kliniken oder Nachbarschaftstreffs oder Gemeindehäuser an, um kostengünstige Gruppenräume für die Treffen zu finden.

Vorschlag zum Ablauf einer Gesprächsrunde

Grundgedanken

Selbsthilfegruppen sind keine Dienstleistungseinrichtungen, sondern bestehen durch das Prinzip des gegenseitigen Gebens und Nehmens. Ziel sollte deshalb sein, dass alle Mitglieder die Gelegenheit zur stetigen und aktiven Teilnahme erhalten. Mitarbeit und Beteiligung am Gespräch dürfen keinem Zwang unterliegen – sollten aber das Prinzip der Solidarität befolgen.

Nur wenn die Teilnahme freiwillig erfolgt können sich die Vorzüge der Selbsthilfe entfalten.

Eingangsrunde

Am Anfang jedes Gruppentreffens kommt jede*r Teilnehmer*in zu folgenden Fragestellungen kurz zu Wort: Wie geht es mir? Wie fühle ich mich? Welche Themen vom letzten Treffen haben mich noch weiter beschäftigt? Was erhoffe ich mir vom heutigen Treffen? Habe ich ein Thema, Problem, das ich unbedingt heute besprechen möchte?

Dieses Anfangsblitzlicht sollte nicht zu lange dauern und muss deshalb gut von der gewählten Gesprächsleitung moderiert werden. Kurze Beiträge, möglichst ohne Nachfragen, jedoch ohne den Zwang etwas sagen zu müssen, haben sich in der Regel bewährt.

Auch bei Gruppen, die sich schon länger treffen, ist es gerade für neue Mitglieder wichtig, dass sich alle Anwesenden kurz in der Anfangsrunde vorstellen.

Hauptteil der Gruppensitzung

Für den Kernteil des Treffens kann es sinnvoll sein, Gesprächsthemen zu sammeln und die Bearbeitung dieser Themen für bestimmte Treffen zu vereinbaren. 

Dazu können auch von einigen Teilnehmer*innen der Gruppe Vorbereitungen getroffen werden: zum Beispiel ein Fachartikel, ein Einstiegsvortrag, ein Rollenspiel, eine Geschichte oder andere Methoden lebendigen Lernens wie z.B. Körper- und Entspannungsübungen, Phantasiereisen oder Gymnastik. 

Um das hohe Informationsbedürfnis zum eigenen Thema zu stillen, hat sich auch die Einladung von Referent*innen von außen zu bestimmten Themen bewährt.

Das vereinbarte Thema sollte in der Regel bearbeitet werden, es sei denn ein besonders dringliches Problem eines Gruppenmitgliedes steht an (ergibt sich meist aus der Eingangsrunde).

Auch in diesem Hauptteil der Gruppensitzung kann ein kurzes Zwischenblitzlicht ein gutes Medium sein, um „Störungen“ in der Gruppenatmosphäre ans Licht zur bringen. Jeder der Teilnehmer sollte das Recht haben, eine solche kurze Zwischenrunde einzufordern. Zum Beispiel wenn der Gruppenablauf ins Stocken gerät; wenn vom Thema weg geredet wird; wenn langes Schweigen eintritt; wenn Uneinigkeit über das Vorgehen oder den weiteren Verlauf besteht; wenn ein Gespräch sehr lange zwischen wenigen Teilnehmer*innen hin und her geht.

Schlussrunde

Den Abschluss jedes Gruppentreffens bildet eine kurze Feedbackrunde (Abschlussblitzlicht), die allen Beteiligten die Gelegenheit bietet Rückmeldungen zum heutigen Treffen zu geben und Ideen für die nächsten Treffen einzubringen: Wie ist es mir ergangen beim heutigen Gruppentreffen? Was ich eigentlich noch sagen wollte. Welche Erwartungen habe ich an das nächste Treffen?).

Erfahrungsgemäß fällt es schwer das Abschlussblitzlicht einzuhalten (die ersten wollen gerade heute früher gehen, das Thema war so spannend, die Gruppe findet „kein Ende“). Es ist aber von großer Bedeutung, dass möglicher Ärger oder Frustration durch das Ansprechen ein Ventil erhält und die Gefahr verringert, dass Teilnehmer*innen kommentarlos weiteren Gruppentreffen fernbleiben.

Die Anonymen Gruppen - ein besonderes Konzept

Eine Besonderheit sind die “Anonymen Gruppen” (z.B. die Anonymen Alkoholiker) mit ihrem eigenen Konzept, das auf zwölf Schritten und zwölf Traditionen (siehe auch Blaues Buch der Anonymen Alkoholiker) beruht. Weitere Kennzeichen sind die Anonymität, die Unabhängigkeit von finanziellen oder anderen Förderern, offene Meetings ohne vereinbarte Verbindlichkeit, sowie eine spirituelle Dimension. Diese Gruppen finden sich vor allem im Bereich von Suchterkrankungen und psychosozialen Problemen und sind weltweit verbreitet.

Bewährte Spielregeln

Damit der Ablauf der Gruppentreffen möglichst reibungslos funktioniert und sich eine Atmosphäre des Vertrauens entwickeln kann, sind von der Gruppe beim Start bestimmte Regeln zur Gruppenarbeit gemeinsam zu vereinbaren. Hier eine Zusammenfassung von bewährten “Spielregeln” einer Selbsthilfegruppe, die jedoch je nach Gruppe abgewandelt werden können.

  • Ich nehme die Zeit der anderen ernst und bin pünktlich.
  • Ich gehe vertraulich mit persönlichen Aussagen aus der Gruppe um.
  • Ich höre aufmerksam und respektvoll zu.
  • Ich darf auch schweigen.
  • Ich spreche von mir und meinen Erfahrungen.
  • Ich achte darauf, dass auch andere zu Wort kommen und fasse mich kurz.
  • Ich sage, wenn ich eine Pause brauche.
  • Ich sorge für mich in der Gruppe wie eine gute Freund*in.
  • Ich sage in der Gruppe, wenn mir etwas nicht gefällt.
  • Ich spreche in der ICH-Form.
  • Ich übernehme Verantwortung für das Gelingen der Gruppe.
  • Nichts muss, alles kann.
  • Es gibt kein richtig oder falsch.

Es gibt keine allgemein verbindlichen Regeln für die Arbeit in Selbsthilfegruppen. Jede Gruppe entscheidet selbst, welche Regeln für sie Sinn machen.