Trends in der Selbsthilfe

Selbsthilfe ist angekommen

Stand die Selbsthilfe vor einigen Jahren noch im Ruf des Randgruppenphänomens, ist sie nun in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Bei vielen Themen oder Erkrankungen ist es fast normal geworden, dass der Arzt, die Therapeutin oder der Berater auf die Möglichkeiten der Selbsthilfe verweisen. Die Selbsthilfe hat durch die starke „Nachfrage“ ihr "Angebot" sehr erweitert. Neben klassischen Gesprächsrunden bieten viele Initiativen telefonische Beratung oder Besuchsdienste an und beteiligen sich an Fachtagen und Gremien.
Diese positive Entwicklung führt an manchen Stellen dazu, dass manche Interessierte Selbsthilfe mehr konsumieren anstatt sich aktiv daran zu beteiligen. Überforderungstendenzen der ehrenamtlich in der Selbsthilfe Engagierten sind immer wieder die Folge. Dieser Entwicklung entgegenzuwirken, wird in den nächsten Jahren eine Aufgabe der Selbsthilfe und somit auch der Selbsthilfeunterstützung sein.

Nicht nur reden, sondern tun!

Der Austausch mit Gleichbetroffenen fand viele Jahre hauptsächlich indikationsbezogen oder problemorientiert statt. Hier ist eine Veränderung wahrzunehmen: Der Austausch wird zunehmend dafür genutzt positive Haltungen oder in Therapien gelernte Methoden zu teilen und im Alltag umzusetzen. So entstehen aus klassischen Gesprächsgruppen Initiativen, die sich für ihre Belange einsetzen. Beispielsweise machen sich Angehörige von Kindern mit Downsyndrom für selbstbestimmte Wohnformen ihrer Kinder stark. Oder Teilnehmerinnen bzw. ehemalige Mitglieder aus klassischen Selbsthilfegruppen gründen indikationsübergreifende Gruppen, um dort erlernte Bewältigungsstrategien wie z.B. gewaltfreie Kommunikation oderprogressive Muskelentspannung gemeinsam zu üben.

Selbsthilfe wird bunter – neue Formen der Selbsthilfe entstehen

Kulturelle und weitere gemeinschaftliche Aktivitäten der Selbsthilfe entstehen vor allem dort, wo Selbsthilfe durch eine Kontaktstelle gut vernetzt ist und die Gruppen sich gemeinsam weiterentwickeln können. So entstehen nicht nur Meditations- und Bewegungsgruppen,  sondern auch Theater-, Tanzgruppen  und Chöre. Oder man trifft sich einfach zum gemeinsamen Kochen oder Spielen. Dieser ergänzende Zugang zur Selbsthilfe hat sich besonders in der Migrationsselbsthilfe bewährt. In den Gruppen finden die Teilnehmenden über das gemeinsame Tun einen Weg zum Gespräch und tieferen Austausch.

Steigerung der Selbsthilfeaktivitäten im psychosozialen Bereich

In den Selbsthilfekontaktstellen gibt es eine steigende Tendenz hinsichtlich der Beratungen im psychosozialen Bereich: So haben Anfragen und Gruppengründungen zu Depressionen, Burnout, Ängsten und neuen vor allem nichtstoffgebundenen Süchten wie z.B. Essstörungen, Kaufsucht oder Onlinesucht stark zugenommen. 

Generationswechsel gestalten

Die Gründergeneration der großen Selbsthilfeverbände – gerade im Bereich von Volkskrankheiten – möchte, häufig altersbedingt, Verantwortung abgeben. Demgegenüber stehen junge Engagierte, die vor den umfangreichen und traditionsreichen Aufgabenfeldern zurückschrecken oder andere Formen von Engagement suchen. Wie bei jedem Generationswechsel braucht es hier eine gute Mischung vom Bewahren der Tradition und der Offenheit für neuen Ideen. Damit die Selbsthilfe aus diesem "Wechsel" gestärkt hervorgeht, sind kreative Ideen und die fachliche Unterstützung durch eine Selbsthilfekontaktstelle oder andere Fachpersonen gefragt.