Wo sonst die Zeit fehlt

Zugegeben, die Corona-„Zwangspause“ hat sich in dieser Form wohl keiner gewünscht. Aber wie oft schimpften wir im Alltag über die uns fehlende Zeit für Dinge, die sonst immer liegen bleiben? Wie oft haben wir das Gefühl wir selbst und unsere Liebsten kommen in dem Trubel einfach zu kurz?

Zu diesen liegengeblieben Dingen gehören aber nicht nur die Klassiker, wie Waschen und Putzen, sondern auch das Malbuch für Erwachsene, das man sich mal gekauft hat, aber nie mehr aufgeschlagen hat. Das Gesellschaftsspiel, dessen Anleitung einfach zu lang ist und man es deswegen noch nie mit der Familie gespielt hat. Das Buch, das man mal geschenkt bekommen hat, aber eigentlich im ersten Moment nicht so ansprechend wirkt. Das 1000 Teile Puzzle, das man schon immer mal wieder machen wollte.  

Jetzt ist Zeit für solche Dinge, Zeit sich zu besinnen und zur Ruhe zu kommen, auch wenn die Nachrichten-Flut ein permanent ungutes Gefühl hinterlässt. Deswegen ist es durchaus sinnvoll den Empfang einfach mal einzustellen. Das Smartphone weg zu legen und im Wald spazieren zu gehen. Sie werden sehen, der Frühling ist in vollem Gange. Die Knospen sprießen und einige Pflanzen tragen auch schon wunderschöne Blüten. Sollten Sie Ihr Smartphone doch dabei haben, weil man ja mittlerweile nicht mehr ohne aus dem Haus geht, können Sie Ihre Fotografie-„Skills“ verbessern. Und sollten Sie ein schönes Foto geschossen haben, dann verschicken Sie es doch an die Leute, die in diesen schweren und einsamen Zeiten nicht die Möglichkeit haben einfach mal nach draußen zu gehen. Am besten fügen Sie noch einen aufmunternden Spruch hinzu (Anregungen finden Sie übrigens direkt hier auf unserer MUTmacher-Börse) und bieten der Person Ihre Hilfe an. Hilfe muss auch übrigens nicht immer physisch gemeint sein: ein offenes Ohr oder eine eigene Erzählung hilft dem Zuhörer durch die einsamen Stunden.

Gespräche sind im Moment existenziell. Wann haben Sie das letzte Mal mit Ihrer besten Freundin/dem Sohn/der Enkelin oder wem auch immer gesprochen (und zwar nicht nur über das Wetter)? Es geht hierbei nicht darum, stundenlange Dialog zu führen (außer das gehörte schon davor zu Ihrem Hobby), sondern einfach mal zu fragen „wie geht es dir?“ oder eben auch zu sagen „ich fühle mich einsam und hatte das Bedürfnis mit jemandem zu sprechen“. Bieten Sie Hilfe an, wenn Sie es können und nehmen Sie Hilfe in Anspruch, wenn Sie sie benötigen. Bitten Sie nicht nur darum, sondern fordern Sie sie ein! Und wenn Sie nicht wissen, wen Sie anrufen sollen dann versuchen Sie es doch zum Beispiel mal bei der Telefonseelsorge (unter 0800/111 0 111). Wir von SeKo Bayern sind übrigens auch während unseren Sprechzeiten erreichbar.

Und sollten Sie kein Bedürfnis haben zu sprechen, dann kümmern Sie sich doch um die liegengebliebenen Dinge. Sie werden sehen, dass es furchtbar Stolz macht, die Blumen umgetopft und die Schränke ausgemistet zu haben, bei dem neuen Gesellschaftsspiel gewonnen und/oder das Puzzle geschafft zu haben. Jetzt haben Sie die Zeit endlich alles anzugehen und auszuprobieren! Malen Sie, Basteln Sie (z.B. ein Fotoalbum mit den Frühlingsblumen oder Familienmitgliedern), Backen Sie, hören Sie einen Podcast, Nähen Sie oder wenn Sie extrem ambitioniert sind: lernen Sie eine neue Sprache oder frischen Sie eine alte wieder auf!

Svenja Hausschmid, SeKo-Bayern