NAKOS-Pressemitteilung vom 05.11.2020

"Teil-Lockdown: Gruppentreffen nicht verbieten"

Selbsthilfegruppen sind für ihre Mitglieder wichtige psychische Stütze

Bundesweit wurden die Infektionsschutzverordnungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie überarbeitet. Seit dem 2. November sind in einzelnen Bundesländern für Selbsthilfegruppen keine Gruppentreffen mehr erlaubt. Negative Folgen für die psychische Gesundheit der Gruppenmitglieder sind unausweichlich. Die bundesweite Selbsthilfe-Fachstelle NAKOS fordert daher Gruppentreffen nicht generell zu verbieten.

Ein generelles Verbot von Gruppentreffen über Wochen oder gar Monate schadet den Gruppenmitgliedern. Für Viele sind die Gruppentreffen lebensnotwendig. Wenn sie nicht stattfinden, nehmen psychische Beschwerden zu, Suchterkrankten drohen Rückfälle, Gruppenmitglieder sind von Einsamkeit und sozialer Isolation betroffen. Selbsthilfegruppen sind systemrelevant. Unverständlich sind daher Regelungen wie in Bayern, die Treffen von Selbsthilfegruppen nicht mehr erlauben, während Gruppentreffen unter fachlich-professioneller Leitung weiter möglich sind.

Selbsthilfegruppen beteiligen sich an der Kontaktreduzierung
Aufgrund chronischer Erkrankungen und Behinderungen gehören Gruppenmitglieder zur besonders schutzbedürftigen Risikogruppe. Entsprechend nutzen Selbsthilfegruppen alle Möglichkeiten, um Kontakte auch im Rahmen des Selbsthilfeengagements zu reduzieren. Wie bereits während des ersten Lockdowns im Frühjahr können Selbsthilfegruppen sich vorübergehend in Videokonferenzen austauschen oder durch Telefonketten in Verbindung bleiben. Einige Gruppen können sich zeitweise in kleinere Gruppen aufteilen. In Einzelfällen sind auch weiter Treffen im Freien möglich. Bei einem kurzen Lockdown von wenigen Wochen kann je nach Gruppe auch ein vorübergehendes Aussetzen eine Option sein.

Gruppenmitglieder setzen Hygienekonzepte verantwortungsvoll um
Die Treffen von Selbsthilfegruppen orientieren sich seit dem Sommer an den umfassenden Hygienekonzepten, die von Selbsthilfekontaktstellen und Selbsthilfeorganisationen entwickelt wurden. Die Hygienekonzepte beinhalten detaillierte Hygiene- und Desinfektionsvorschriften und Abstandsregeln sowie teilweise Personenbegrenzungen, Anmelde- und Dokumentationspflichten. Durch die Einhaltung der Hygienekonzepte ist das Risiko von Infektionen minimiert.

Covid-19-Erkrankte schließen sich zusammen
Seit dem Sommer kommt es zu ersten Gründungen von Corona-Selbsthilfegruppen. Covid-19-Langzeiterkrankte und Angehörige von Erkrankten suchen Gleichbetroffene, um sich mit ihnen vor Ort oder im Internet zusammenzuschließen. Gemeinsam mit anderen gelingt es ihnen leichter, diese schwierige Lebenssituation zu bewältigen. Erfahrungsaustausch, Wissenstransfer sowie Mitmenschlichkeit und Geborgensein in der Gruppe müssen auch während eines Lockdowns für  die gemeinschaftliche Selbsthilfe gewährleistet sein.

Ansprechpartner*innen:
Dr. Jutta Hundertmark-Mayser, Niclas Beier
Telefon: 030 / 31 01 89 60

Regelungen zu Selbsthilfegruppentreffen in den Bundesländern

Bestimmungen der Landesregierungen und regionale Abweichungen

Auf der Homepage der NAKOS finden Sie eine aktuelle Übersicht zu den unterschiedlichen Bestimmungen in den verschiedenen Bundesländern.

Hier geht es zur Übersicht

Halt in unruhigen Zeiten: Selbsthilfe und Corona

Pressemitteilung NAKOS vom 28.09.2020

Bei ihrer bundesweiten Tagung am 15. und 16. September in Leipzig resümierten Vertreter*innen der Landesarbeitsgemeinschaften der Selbsthilfekontaktstellen und der landesweiten Selbsthilfekontaktstellen ihre Erfahrungen während der Corona-Pandemie.

Während des Lock-Downs waren Selbsthilfekontaktstellen zentrale Anlaufstellen, die ihre Informations- und Vermittlungsangebote für Selbsthilfegruppen durchgängig aufrechterhielten.

Verzweifelten Aktiven aus der Selbsthilfe, denen der Rückhalt aus den Gruppentreffen fehlte, machten sie Mut und waren Ansprechpartner. Neben Beratungen am Telefon organisierten sie digitale Informations- und Austauschangebote wie virtuelle Selbsthilfetreffs oder Gruppentreffen im Freien. Die Möglichkeit, mit anderen im Kontakt zu bleiben half vielen Betroffenen, soziale Isolation auszuhalten und Vereinsamung vorzubeugen. Von der Öffentlichkeit nicht wahrgenommen, zeigte sich in der Coronakrise die Systemrelevanz der gemeinschaftlichen Selbsthilfe für die Zivilgesellschaft umso mehr.

Für die Mitarbeitenden der professionellen Selbsthilfeunterstützung war das Managen dieser Krisensituation erheblich erschwert. Denn der Selbsthilfebegriff fehlt in COVID-19-Verordnungen und Hygieneempfehlungen. Selbsthilfegruppen als zentrale Ergänzung der gesundheitlichen und sozialen Versorgung haben viele Entscheidungsträger in Politik und Verwaltung schlichtweg nicht „auf dem Schirm“. Trotzdem müssen Selbsthilfekontaktstellen Abstandsregeln einführen und Mindestabstände gewährleisten. Die bisherigen Raumkapazitäten genügen nicht mehr: mehr Räume sind dringend erforderlich, damit möglichst viele Selbsthilfegruppen sich wieder regelmäßig treffen können.

Die Vertretungen der Selbsthilfekontaktstellen fordern daher von der Politik:

  • Unterstützung bei der Raumsuche für Gruppentreffen durch Kommunen
  • Einbeziehung der Selbsthilfe bei der Planung von (Infektions-) Schutzmaßnahmen;
  • Berücksichtigung der Selbsthilfe bei Förderprogrammen zur Stärkung der digitalen Infrastruktur
  • Sicherung der personellen und sächlichen Ausstattung von Selbsthilfekontaktstelle
  •  Einsetzung eines Selbsthilfe-Beauftragten des Bundes und der Länder

Ansprechpartnerin:
Dr. Jutta Hundertmark-Mayser, NAKOS